ADHS erkennen: Daran habe ich mit 38 gemerkt, dass ich keine Versagerin bin

„Ich bin einfach zu empfindlich. Zu chaotisch. Zu kompliziert. Ich müsste nur disziplinierter sein…“

Das sich hinter solchen Gedanken ADHS verstecken kann, wird oft nicht erkannt. Einer der Gründe, warum Frauen ihr ADHS erst sehr spät erkenne.

Bis dahin leben sie angepasst, funktionieren und geben alles. Trotzdem bleibt da dieses Gefühl von Anderssein, von Überforderung, von innerem Chaos.

Ich war 38, als ich endlich verstand: Ich bin keine Versagerin. Ich bin eine Frau mit ADHS.

In diesem sehr persönlichen Artikel erzähle ich dir, wie ich mein ADHS erkannt habe – und warum es mir geholfen hat, mich selbst nicht länger abzulehnen, sondern mitfühlender zu verstehen. Vielleicht erkennst du dich in meinen Worten wieder. Vielleicht ist es der Anfang von etwas Neuem – für dich.

Ich lebe seit fünf Jahren in Portugal – und der angebliche Social-Media-Hype in Deutschland rund um das Thema ADHS ist bisher komplett an mir vorbeigezogen. Und tut es ehrlich gesagt immer noch.

Vielmehr zufällig fand das Thema ADHS im letzten Jahr seinen Weg in mein wirres, lautes Hirn. Immer wieder begegneten mir Menschen, die davon sprachen. In ihren Geschichten erkannte ich mich hier und da. Doch wirklich ernst genommen habe ich es anfangs nicht. Ich dachte, ich kenne mich gut genug – und ein Zappelphilipp bin ich schließlich nicht. Punkt, Komma, aus.
Ich bin einfach nur unfähig, bekloppt und dumm. So sei es!

Jahrelanges Yoga, intensive Coachings, Therapien, jede Menge innere Arbeit – all das änderte langfristig nichts an meinen Selbstzweifeln (oft: Selbsthass). Mein ADHS wurde nicht erkannt – nicht von mir, nicht von anderen. Stattdessen trug ich Diagnosen wie Borderline, Essstörung, mittelgradige oder schwere Depression.

„Ich bin einfach ein verlorener Fall – zum Scheitern und zum Unglücklichsein verdammt.“

Doch irgendetwas wollte schließlich, dass ich hinschaue. Dass ich ADHS erkenne – an mir. Heute weiß ich auch warum: Damit ich mich endlich selbst besser verstehen kann. Und – um Himmels willen – akzeptieren. Damit ich mit 38 beginne, mich selbst zu würdigen. Und vielleicht sogar lieben zu lernen.

Fast parallel absolvierte ich gerade eine neue Weiterbildung (diesmal: Mindset Coaching – und ja, ich habe sie tatsächlich abgeschlossen. Kurzer Applaus!). Die Themen dort? Sie haben mich überrollt. Es ging nicht anders: Ich bin davon überzeugt, mein ADHS erkannt zu haben.

Ich war so nicht.

Ein Blick in meine Grundschulzeugnisse:

  • „Aufmerksam folgt sie dem Unterricht und beteiligt sich zurückhaltend…“
  • „Ihre Aufgaben erledigt sie zuverlässig und ordentlich.“
  • „Mit wachsendem Selbstvertrauen wird Anne in Zukunft mehr Sicherheit finden.“
  • „Anne ist sehr zurückhaltend und braucht manchmal längere Zeit, um Sachverhalte zu erfassen.“
  • „Ihre Mappen und Hefte sind äußerst kreativ und lebendig gestaltet.“
  • „Anne hat Freude daran, Rhythmen durch körperliche Bewegung auszudrücken. Bei Rollenspielen ist sie äußerst einfallsreich.“
  • „Neue Arbeitsaufträge lassen sie ängstlich und unsicher wirken. Durch viel Zuspruch erfasst sie diese.“

ADHS hat viele Gesichter. Bei Frauen zeigt es sich häufig als ADS – ohne Hyperaktivität. Aus dem Zappelphilipp wird die stille, brave Lilli.

Die Formen und Ausprägungen sind so bunt wie ein Blumenstrauß. Auch wenn ich als Kind eher ruhig war, war Bewegung mein Ventil. Ich kaute an Stiften, wippte ununterbrochen mit dem Fuß. Heute noch kratze oder beiße ich mich in Stresssituationen am Handgelenk.
Ja, klingt seltsam – aber das bin ich.

Vielleicht geht es dir ähnlich: Du willst einfach nur geliebt werden. Du schämst dich – für deinen Lebenslauf, für dein Anderssein, deine Impulsivität oder Unsicherheit.
Wir Frauen mit ADHS haben oft früh gelernt, uns anzupassen. Bloß nicht auffallen. Bloß nicht stören.

Doch irgendwann wusstest du nicht mehr, wer du wirklich bist. Du hast einfach weitergemacht. Funktioniert. Getan, was man eben tut. Und innerlich? Wuchs das Chaos.

ADHS bleibt oft unentdeckt, weil es sich hinter Diagnosen versteckt.
In meinem Leben gab es Depressionen, Essstörungen, Ängste. Für mich war die Magersucht irgendwann wie ein Ausweg – eine Insel im Chaos. Endlich hatte ich Kontrolle. Ein Ziel. Einen roten Faden. Gleichzeitig war da der Wunsch: endlich gesehen und akzeptiert werden.

Auch heute noch kenne ich diese extremen Phasen. Bei mir gibt es oft nur Ganz oder gar nicht.
Top oder Flop.

Die psychischen Symptome allein haben mich nicht auf ADHS gebracht.
Es war mein Alltag. Meine Gedanken. Meine Reaktionen:

  • Ich wache auf – und der Tag erscheint wie ein Monsterprojekt mit 1000 Unteraufgaben.
  • Ich verliere den Faden.
  • Ich bin überfordert, chaotisch – innen wie außen.
  • Eine neue Aufgabe bringt mich aus der Fassung. Ich denke: „Ich kann das nicht!“
  • Kritik trifft mich wie ein Schlag. Selbstzweifel explodieren.
  • Ich kann mich an kaum etwas erinnern – weder an Bücher noch an Gespräche.
  • Ein Tag ohne Plan? Für andere Freiheit – für mich Panik.
  • Ich kann mich nicht konzentrieren.
  • Ich schäme mich – für mein Verhalten, mein Leben, meine vermeintlichen Fehler.
  • …aus dem Augen, aus dem Sinn. Es fällt mir extrem schwer, Kontakte aufrecht zu halten. Es ist nicht so, dass ich die Menschen, die sich aktuell nicht in meinem Umfeld befinden, komplett vergesse. Aber sie treten so weit in den Hintergrund meines inneren knallbunten Gedankenbildschirms, dass ich nicht daran denke, mich zu melden. Das Gefühl, sie zu vermissen fühle ich auch äußerst selten. Wenn ich eine gewisse Person aber dann treffe genieße ich das sehr.

Das alles ließ mich erkennen: Ich bin nicht verrückt. Ich habe ADHS. Und damit lässt sich leben – wenn man versteht, wie.

Weil ich gut darin war, zu kompensieren. In Deutschland gab es Strukturen. Sicherheit. Ich funktionierte.

Dann kam Portugal. Mein Traum vom Auswandern wurde Realität – hyperfokussiert umgesetzt.
Alles Bekannte fiel weg. Ich war auf mich gestellt.
Und plötzlich konnte ich nicht mehr. Keine Kompensation, keine Tarnung. Alles brach auf.

Ich sah mich, wie ich war – und erkannte mein ADHS.

Trotz all der Unsicherheit blieb eine Konstante in meinem Leben:
Ich will mit Menschen arbeiten. Ich will sie begleiten – gerade dann, wenn sie sich selbst nicht mehr spüren.

Ich bin keine Therapeutin. Aber ich bin eine Frau mit ADHS, eine empathische Seele, ein kreativer Kopf.
Und ich bin Mindset Coach.

Ich begleite dich dabei, dein Leben mit ADHS liebevoller zu gestalten – mit mehr Verständnis, Struktur und Selbstakzeptanz. Schritt für Schritt.
Denn: Zusammen ist es leichter.