Die Angst vor Veränderung: Ist sie normal?

Die Angst vor Veränderung ist natürlich. Du bist kein seltsames Wesen, wenn das Loslassen von Altem und der Übergang zu etwas Neuem kein Konfettiregen in dir auslöst.

Gleichwohl darfst du stolz auf dich sein, denn dass du Veränderungen meistern kannst, steht fest. Oder bist du heute noch die Person, die du vor 10, 20, 30 Jahren warst? Wohl kaum?

Du hast große und kleine Veränderungen erlebt. Bewusste und unbewusste, von der Natur, dem Leben oder selbst gesteuerte.

Obwohl Veränderungsprozesse zum Leben gehören, wie das Amen in der Kirche, zucken wir nicht selten schüchtern oder zweifelnd zurück, wenn alle Zeichen auch Transformation stehen. Entweder noch bevor es losgeht oder mittendrin. Warum ist das so? In diesem Artikel bin ich eingetaucht in die Welt der Ängste, die Veränderungen natürlicherweise mit sich bringen.

Wir Menschen lieben den Genuss. Genauso suhlen wir uns am liebsten in Sicherheit und denken, wir sind mächtig und klug genug, um das Leben und die Natur der Dinge kontrollieren zu können. Man könnte auch sagen: Wir sind ganz schön verspielte und von uns selbst überzeugte Wesen. 

Mit dieser Annahme leugnen wir das Feld, in dem wir leben. Als Menschen sind wir Teil der Natur und unterliegen wie jedes Eichhörnchen und jede Wolke am Himmel einem Zyklus: dem Lauf der Dinge. 

Das Leben ist nicht in Stein gemeißelt – das, was wir haben und sind auch nicht. 

Ein Leben ohne Veränderung gibt es nicht!

Vielleicht provoziere ich dich mit meiner These. Für mich ist sie nicht nur wahrhaftig sondern auch logisch. (Was nicht bedeutet, dass ich jede Veränderung willkommen heiße.)

Denken und anpassen raubt dem Gehirn Energie. Alt bekanntes läuft auf Autopilot. Jede Veränderung strengt das Gehirn an. Um das zu vermeiden, aktiviert es die Angst in uns.

Keine Veränderung = mehr Entspannung.

Sind wir also faule Wesen (geworden)?

Nun, ich glaube schon…

Wir machen es und auf federleicht weichen Wölkchen bequem und wollen durchs Leben schweben –but just on the bright side of life.

Wir wollen Alles für Nichts. Zumindest nichts, was unbequem werden könnte.

Wir wollen uns selbst verwirklichen und scheuen die Veränderungen, die es dazu braucht.

Dies als kleine Erinnerung an dich und mich, dass nicht die Anderen uns davon abhalten, uns selbst zu leben, authentisch zu sein und unsere eigene Wirklichkeit zu leben, sondern unsere Ängste, denn:

Wenn wir uns hin zu uns selbst verändern, 

  • gefällt das nicht jedem. Werden wir abgelehnt?
  • sind wir aufgefordert, unseren Lebensstil zu justieren.Klappt das? Wie wird das sein? 
  • wissen wir nicht immer, ob wir direkt den richtigen Weg wählen. Was ist, wenn ich mich verirre? Verliere ich die Kontrolle über alles?
  • lassen wir Altes los. Wohnung, Beziehung, Job, Hobbies. Wir wagen uns auf ein leeres, schutzloses Feld. Ein unsicherer Space.

Verändern wir uns nicht, hängen wir im Leben fest. Wir trampeln auf der Stelle: Kein Momentum, auf das wir am Ende unserer Tage stolz zurückblicken werden.

Wir haben schlichtweg das Leben verpasst (und verleugnet). Wir haben bloß existiert.

Lass uns es noch einmal zusammenfassen, inhalieren, begreifen und akzeptieren:

Veränderungen sind alltäglich, normal und menschlich. 

Vom Moment unserer Geburt bis hin zum Tod verändern wir uns – wir können nichts dagegen tun.

Aus freiem Kopf habe ich Veränderung so definiert:

Eine Veränderung ist eine vorhersehbarer oder unvorhersehbare Reaktion auf eine Situation im Lebensfluss. Einige Veränderungen sind vorhersehbar und planbar (das mögen wir, weil wir Kontrolle lieben). Zum Beispiel feiern wir Geburtstage, heiraten, bekommen (geplant) Kinder, führen Jobwechsel und Umzüge herbei etc. Es gibt Veränderungen, die sind mehr oder weniger planbar oder unvorhersehbar, schockieren aber trotzdem: Ich zum Beispiel war in der Pubertät geschockt, als sich mein Körper verändert hat. Vielleicht fällt dir auch etwas ein.

Wiederum andere große und kleine Aufforderungen zur Veränderung kommen unerwartet wie aus dem Nichts.

Was sie gemeinsam haben: Um nicht zum waghalsigen und verzweifelten Kämpferlein gegen den Fakt des Lebens zu werden, bedarf es unserer Flexibilität. Wir müssen uns anpassen. Gewohnte und geliebte Schutzmäntelchen wollen abgelegt werden. Wir dürfen uns nicht scheuen nackt zu sein, das Leben auf der Haut zu spüren: warme Sonne, erfrischenden Regen, schmerzende Hagelkörner. Dabei dürfen wir in uns vertrauen. Wir dürfen uns daran erinnern, dass wir nicht hier sind, um zu bleiben, was wir sind, sondern um zu werden, wer wir sind. Wir sind hier, um zu wachsen. 

Die Angst vor Veränderung ist – so denke ich – nicht selten die Angst davor, zu werden, wer wir wirklich sind.

Werfen wir einen Blick in die Psychologie…

Um die Angst vor Veränderung auf psychologischer Ebene zu verstehen, schauen wir hier auf drei super spannende Themen:

  • Die fünf Sterbephasen von Elisabeth-Kübler-Ross
  • Die Transition Curve von John M. Fischer und
  • ausgewählte Archetypen der Angst, die Psychologen auf Grundlage von Carl Gustav Jungs Archetypen definiert haben.

Elisabeth Kübler Ross war eine amerikanische Psychiaterin und hat sich intensiv mit dem Sterben beschäftigt. Geboren wurde sie 1926 in der Schweiz, bekannt wurde sie durch ihr Buch “Interviews mit Sterbenden” und der Benennung der fünf Sterbephasen:

  1. Nicht-wahrhaben-wollen
  2. Wut
  3. Verhandeln 
  4. Depression
  5. Akzeptanz

Obwohl sie sich mit den fünf Phasen auf den Sterbeprozess bezieht – der nicht weniger, wenn nicht sogar den krassestens Veränderungsprizess darstellt, den wir alle erleben werden – können diese Phasen wunderbar ins Leben jetzt, mit all seinen gewollten und besonders ungewollten Veränderungen, projiziert werden.

In Anbetracht dessen wurden Elisabeth’s  fünf Sterbephasen von Professor Richard K. Streich um zwei Phasen erweitert und zur Change-Kurve nach Kübler-Ross/Streich, 7 Phasen-Modell der Veränderung (…) umbenannt. 

Das sieht jetzt so aus und ich bin mir sicher, dass du dich, deine Gefühle und Gedanken hier und da gut einordnen kannst:

Change Curve

Na wenn das mal keine perfekte Grafik ist;) Die Change Curve selbstgemalt.

Weil wir unter uns sind, teile ich mit dir einen meiner aktuellsten Change-Prozesse:

Wir schreiben das Jahr 2024:

Nach Jahren als virtuelle Assistentin habe ich mich “spitz” positioniert – so macht man das ja in der Business-Welt. 

Weil ich das Schreiben liebe und als virtuelle Assistentin einen relativ guten Einblick in die Marketingwelt erhaschen konnte, sah ich mich als Texterin oder auch Copywriterin (=Werbetexterin). Applaus! Ich war happy, hochmotiviert und stürzte mich in ein Businesscoaching, eine hochpreisige Copywriting-Ausbildung und ein Marketing-Mentoring. Ich investierte Geld in eine Website (www.anne-isaac.com) und viel Zeit in Sichtbarkeit – eben all das, was dazu gehört.

Was ich nicht wusste: Dass ich mich damit in mehr als turbulente Monate stützte, in denen meine Erwartungen zu einem Gefängnis wurden.

Und dann war sie da:DIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ.

(Für mich) so unerwartet plötzlich, Knall auf Fall. 

Mein Weg durch die Change Kurve beginnt:

Ich schwanke zwischen Unverständnis, Angst und Ablehnung. Ich will nicht wahrhaben-wollen, dass ich als Texterin jetzt einen billigen und marktstarken Kollegen habe. Die Motivation sinkt und…

lehne die KI offenkundig ab. Ich erhebe mein Wort da, wo ich nur kann, gegen die KI und möchte als Texterin wahrgenommen werden, die sich gewillt von der KI abheben möchte. Ich suche (und finde) Verbündete und fühle mich wohl in kritischen Diskussionen gegen die KI. 

Ich ergebe mich und beginne rational zu begreifen, dass ich mit meiner Ablehnung gegenüber der digitalen Veränderungen durch die KI nicht glücklich werde. Emotional fühlt sich dennoch alles schwer an. Ich bin hoffnungslos und am Rande der Verzweiflung – wandere durch Mordor in Mittelerde – ein dunkles Tal von Frust und Tränen. 

Ich sage Ja zur Veränderung und beginne zu akzeptieren, das, was ist, ist. Egal, wie gut oder schlecht ich das finde. Ich akzeptiere, dass ich viele Veränderungen steuern kann und mindestens genauso viele nicht. Ich verstehe, dass der Weg zum Glück, zur Freiheit und zum inneren Frieden über Akzeptanz und Flexibilität führt

Ich beginne mich mit der KI zu beschäftigen. Ich lehne sie während meiner Arbeit als Texterin nicht mehr ab und experimentiere damit herum. Ich bin dabei offen für positive Erfahrungen und richte den Fokus weg von all den Beweisen, dass die KI nicht gut ist.

Nach Phase 5 merke ich: Huch! Das macht ja sogar Spaß. Aber psst! 

Ich finde heraus, wie die KI mich unterstützen kann. Aus einer Wut, mit der ich meinen ungewollten Kollegen am liebsten mit einem Tritt in den A*** rausgeworfen hätte, wird ein freundliches “Hallo, nimm Platz und machs dir gemütlich. Aber sei still, hilf mir nur, wenn ich es dir sage und tue nur das, was ich will!” ,)

Ich habe ChatGPT als unterstützenden Assistenten akzeptiert und lieb gewonnen. Obwohl ich immer noch liebend gerne aus dem Herzen schreibe (wie jetzt), empathisch und mit viel Zeit, schätze ich die KI heute sehr in einigen Arbeitsprozessen. Ich habe Ja gesagt. Ich bin frei von Ablehnung, Wut und Ängsten. Ich habe die Angst vor der Veränderung überwunden.

Die persönliche Übergangskurve – oder auch Transition Curve – von John Martin Fischer ist noch relativ neu.

John M. Fisher ist ein britischer Psychologe und Change-Management-Experte, der 1999 seine Version der Transition Curve veröffentlicht hat. 

Eine andere Erklärung dafür, dass Ängste generell “normal” sind und in jedem von uns Zuhause sind, zeigt die Lehre der Archetypen. Ursprünglich wurden von dem schweizer Psychiater und Psychologen Carl Gustav Jung 12 Archetypen bestimmt, die jedem Mensch zugeordnet werden können. Wenn du weißt, welcher Archetyp dir innewohnt, kannst du dein Verhalten besser verstehen (das war ja jetzt die pups einfache Erklärung).

Inspiriert davon haben darauffolgend andere Psychiater die archetypischen Urängste definiert.

Drei davon schauen wir uns jetzt an – ich finds super spannend, weil wir auch hier Antworten auf die Frage, ob die Angst vor Veränderung normal ist, finden können.

Da du und ich lebende Wesen mit einer Psyche sind, können wir also schwer davon ausgehen,dass sich auch irgendein Archetyp in uns niedergelassen hat und mit ein paar Urängsten spielt.

Wenn wir uns verändern, kann es sein, dass das nicht jedem gefällt. Die Gefahr, abgelehnt zu werden, ist da. Das mag nicht jeder. Da ist es doch besser, sich anzupassen und brav jedes Spielchen mitzuspielen.

Es könnte sein, dass das, was ich vorhabe, richtig gut wird. Andere sehen mich: ich bin erfolgreich. Aber was, wenn was schiefgeht? Eine Katastrophe! Wie stehe ich da? Lassen wir das also alles so, wie es ist. Ich bleibe wie ich bin, verändere mich nicht. Wer weiß, vielleicht wüsste ich auch gar nicht, wie ich mit Erfolg umgehen soll. Und vor allem: Was denken dann nur die Anderen, wenn ich – gerade ich – erfolgreich wäre.

Meine Mutter würde sagen: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.”

Bei einer ausgeprägten Angst vor Veränderung fehlt die Flexibilität, sich neuen Dinge zu öffnen. Starrsinnig wird an gewohntem festgehalten. Die Angst vor der Gefahr, sonst die Kontrolle zu verlieren, ist groß. Leider bleibt jemand im Leben stecken, ohne sich weiterzuentwickeln. Die Chance, überraschend tolle Erfahrungen zu machen und die Vielfalt des Lebens zu entdecken,ist gering.

Wenn du mehr über die Urängste lesen willst, schau mal bei einer meiner Inspirationsquellen vorbei. Doreen Ulrich beschäftigt sich ausgiebig mit den Archetypen und liefert viele Antworten.

Ängste hin oder her – ohne Veränderung kein Wachstum.

Und obwohl Wachstum in dem Sinne Angst bedeuten kann und nicht immer ein Spaziergang durchs Honigkuchenland ist, ist Wachstum, Weiterentwicklung und der Wunsch nach Selbstverwirklichung menschlich – sagen wir menschlich normal.

Das heißt im Umkehrschluss, wenn wir uns nicht verändern, vor jedem Wandel laut schreiend davonlaufen oder uns still schweigend verkrümeln, werden wir auf Dauer nicht glücklicher.

Mut, Flexibilität und Vertrauen sind der Schlüssel zum Glück.

Daraus schließe ich – du auch? – dass es sich lohnt, die Ängste vor Veränderung zu überwinden. 

Wie kann das funktionieren?

Wenn du die Angst vor der Veränderung überwinden möchtest, dann zeigt es, dass du weißt, dass du dir eine Veränderung wünschst und dass du weißt, dass du Ängste hast. 

Du nimmst dich selbst wahr, bist reflektiert und offen für eine inneren Wandel, um dich zu verändern – Ja zum Leben leben zu sagen.

Statt dich für deine vielleicht teils verkorksten Ängste zu abzuwerten, nehme sie an, als das, was sie sind: ein Teil von dir.

Denn: Jede Angst hat auch eine gute und liebevolle Seite: Ängste wollen uns vor Gefahren schützen.

Neben deinen Ängsten hast du auch einen konstant liebevollen, friedvollen und ruhigen Teil in dir: deine Seele. 

Das Überwinden bedarf etwas Zeit – es kann schnell gehen oder langsam. 

Um die Ängste vor Veränderung in Vorfreude und Neugier zu transformieren, nimm dir Zeit zur Reflektion:

  • Wovor genau habe ich Angst? Welche potenziellen Gefahren sehe ich?
  • Ist das wirklich wahr? Ja? Gibt es dafür Beweise?
  • Woran erinnert mich diese Angst?
  • Welche Grenzen setze ich mir selbst? Wovon hält mich das Leben in der Komfortzone ab?
  • Was wäre, wenn ich die Angst vor Veränderung nicht da wäre und ich offen und mutig mit dem Wandel gehen würde?
  • Was würde ich brauchen, um mich weiterhin sicher zu fühlen, wenn ich die Veränderung zulasse? 

Das sind ein paar Fragen,die dir eine Idee geben können von dem Leben auf der anderen Seite der Angst und warum du gerade noch nicht dort bist.

Mit jedem Schritt, den du gehst und mit jedem Moment, den du dir schenkst, um deine Ängste zu sehen, zu verstehen, als aktuellen Teil von dir zu sehen, werden sie kleiner werden.

Manchmal, so habe ich es erfahren, löst sich Angst nahezu in Luft auf, wenn sie einmal ihren Raum hatte.

Mit kleinen Schritten in Richtung Veränderung – kleine Dinge im Alltag, die du tust oder denkst – können wie ein Signal an dein Unterbewusstsein gehen und das innere Denk-und Handlungsnavi neu navigieren: Weg vom Weg der Angst, hin zum Weg des Mutes.

In der Stille begegne deiner Seele. Dort kannst du Sicherheit finden, Ruhe und Stabilität. Wie ein treuer Wegbegleiter ist sie immer für dich da und niemals gegen dich. 

Melde dich gerne, wenn du über dich und deine Ängste reden möchtest. Im Gespräch – dem wertungsfreien reflektieren zu zweit, wird so vieles oft klarer und leichter.

Klar, hier und dort gibt es bestimmt jemand, der sagt: ‚‚Nö! Ich hab nie Angst.”

Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann, denn ich denke, dass in jedem von uns große oder kleinere Ängste ihren Platz haben.

Jede Veränderung bedeutet eine Portion Unwissen und Unsicherheit. Wir lassen Gewohntes los, um Neues zu erfahren.

Als menschliche Wesen sehnen wir uns nach Sicherheit. Als denkende Wesen lieben wir ein gewisses Maß an Kontrolle.

Eigenschaften,die uns vor Gefahren schützen sollen und dafür dürfen wir dankbar sein.

Dennoch gehören große und kleine Veränderungen zum Leben. Die Ablehnung dieser Tatsache, das provokative Festhalten an Dingen, lässt uns zu verbissenen Wesen werden. Weder frei, noch glücklich. Wir existieren statt zu leben. Krallen uns fest, statt dem Traum vom Fliegen näher zu kommen.

Ängste gehören zu uns und laden zum Wachstum ein. Sie sind wie Hindernisse, die es zu überwinden gibt. Dadurch werden wir stärker, lernen uns besser kennen und  werden daran erinnert, dass das Leben endlich ist. Für dich, für mich, für alle.